Was ist der Neo-Expressionismus? 2. Teil

Was ist der Neo-Expressionismus? 2. Teil

Als Reaktion auf den Minimalismus und die Konzeptkunst, die die Kunstszene zuvor geprägt hatten, kam der Neo-Expressionismus auf. Die Bilder wurden wieder großformatig und bunt mit kräftigen Farben, starken Kontrasten und deutlich sichtbaren Pinselstrichen. Ausdrucksstark griffen sie alte Geschichten, Mythen und Archetypen auf. In einem zweiteiligen Beitrag stellen wir den Neo-Expressionismus, der heute als Brücke zwischen der Moderne und der Postmoderne gilt, vor.

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Was ist der Neo-Expressionismus 2. Teil

Dabei haben wir im 1. Teil beantwortet, was genau der Neo-Expressionismus ist, welche Merkmale ihn charakterisieren und welche Bedeutung er als Kunstrichtung hat.

Jetzt, im 2. Teil, schauen wir uns die landesspezifischen Strömungen an:

Der Neo-Expressionismus zählt zu den bedeutendsten Strömungen der Postmoderne im 20. Jahrhundert. Vor allem um die 1980er-Jahre herum war die internationale Aufmerksamkeit groß. Dabei bildeten sich in Europa und den USA Zentren heraus, die der Kunstrichtung jeweils ein eigenes Gesicht gaben.

Neue Wilde in Deutschland

Im Dritten Reich sprachen die Nationalsozialisten mit Blick auf die künstlerische Avantgarde von entarteter Kunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Vertreter des Neo-Expressionismus in Deutschland eine Heimat.

Die Bezeichnungen Neue Wilde und Heftige Malerei wurden zu Synonymen für die Kunstrichtung. In Berlin, Hamburg, Köln und Süddeutschland brachte der Neo-Expressionismus eine Reihe an namhaften Künstlern hervor. Zu ihnen gehören zum Beispiel Georg Baselitz und Anselm Kiefer.

Georg Baselitz

Bereits in den späten 1950er-Jahren legte Baselitz den Grundstein für die Rückkehr zum Expressionismus in Europa. In den 1970er-Jahren war es dann sein Verdienst, dass der Neo-Expressionismus in Deutschland einen Aufschwung erlebte. Viele Künstler in Europa und den USA folgten seinem Beispiel und griffen von ihm inspiriert den Stil auf.

In der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen, beeinflussten die dortigen Erfahrungen und die späten Folgen des Zweiten Weltkriegs den Künstler stark. Aus diesem Grund ist die Zerstörung eine Thematik, die als Motiv immer wieder in Baselitz’ Bildern auftaucht.

Charakteristisch für die Arbeiten des Künstlers ist, dass er seine Motive mit groben Pinselstrichen und in kontrastreichen Farben figurativ darstellt. Außerdem werden seine Bilder in Ausstellungen in aller Regel auf dem Kopf stehend präsentiert. Sie gelten als Inbegriff für den Neo-Expressionismus.

Anselm Kiefer

Zu den charakteristischen Merkmalen der Arbeit von Anselm Kiefer gehört, dass er Unterschriften oder Namen von Personen aufgreift, die eine historische oder symbolische Bedeutung haben.

Der Künstler widmet sich Themen der Vergangenheit, die kontrovers diskutiert oder tabuisiert werden. Vor allem der Nationalsozialismus ist eine Thematik, die in Kiefers Kunstwerken eine große Rolle spielt.

Die Einflüsse des Neo-Expressionismus zeigen sich durch die markante Pinselführung in Kombination mit den verwendeten Farben und der figurativen Darstellung.

Transavanguardia in Italien

Im Zuge der Wiederbelebung der expressionistischen Malerei in den 1970er- und 80er-Jahren auf internationaler Bühne bildete sich in Italien die Transavanguardia als Bewegung heraus. Der Begriff, der übersetzt jenseits der Avantgarde bedeutet, geht auf den Kunstkritiker Achille Oliva zurück.

Avantgarde ist ein Begriff aus dem Sprachgebrauch des französischen Militärs. Dort steht er für eine Gruppe aus Soldaten, die vorausgeschickt wird, um den Vormarsch abzusichern.

Damit bildet sie zugleich den ersten Berührungspunkt mit dem Feind. In der Kunst wird von Avantgarde gesprochen, wenn Konzepte oder Stile experimentell und unorthodox entwickelt werden.

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Die Künstler gelten als Vorreiter ihrer Richtung. Zu den avantgardistischen Kunstgattungen gehören zum Beispiel der Dadaismus, der Surrealismus und der Futurismus.

Einer der wichtigsten Vertreter des italienischen Neo-Expressionismus ist Sandro Chia. Seine Werke zeigen das Verhältnis des Menschen zur Natur, zur Melancholie und zum Tod.

Oft enthalten seine Motive auch historische Referenzen. Außerdem prägen kräftige Pinselstriche und besonders intensive, lebhafte Farben seine Bilder.

Figuration Libre in Frankreich

Parallel zu den Neuen Wilden und der Transavanguardia entstand in Frankreich die Figuration Libre. Die Künstler dieser Gruppierung bedienten sich an Elementen aus den verschiedensten Epochen und aus sämtlichen Kulturschichten.

Einige Künstler konzentrierten sich auf stark figurative oder abstrakte Darstellungen, während andere Künstler die Ästhetik von Comics und Graffiti aufgriffen.

Zu den Pionieren des französischen Neo-Expressionismus zählt Robert Combas. Für seine Bilder ließ er sich von der Punkbewegung, Comic-Illustrationen und der Graffiti-Kunst inspirieren, zu seinen Motiven gehören Zeichentrickfiguren, der Rock ’n‘ Roll, die Kalligrafie und Sexualität.

Das Ziel des Künstlers ist, dem Betrachter Kunstwerke zu präsentieren, die dieser auch dann verstehen und etwas damit anfangen kann, wenn er keine Kenntnisse über die Kunstgeschichte hat.

Dazu gestaltet Combas seine Bilder zum Beispiel mit Elementen aus dem Comic und der Kalligrafie.

Vergleichen mit anderen Strömungen, hat der französische Neo-Expressionismus ein typisches Merkmal. Die Bilder von Künstlern aus Deutschland, Italien und den USA bestimmten größtenteils große, grobe und sehr markante Pinselstriche.

Im Unterschied dazu arbeiteten die französischen Künstler sehr kleinteilig.

Bad Painting in den USA

Die US-amerikanische Kunsthistorikerin Marcia Tucker prägte den Begriff Bad Painting für den Neo-Expressionismus in den Staaten. Die dortige Bewegung lehnte die intellektuellen Züge der Konzeptkunst und das ab, was in der Kunst gemeinhin als guter Geschmack gilt.

Typische Motive im US-amerikanischen Neo-Expressionismus sind urbane Szenen, Landschaften, Tiere, aber auch akademische und religiöse Themen.

Teilweise wird das Bad Painting auch als Vorläufer des Neo-Expressionismus gesehen. Denn im Unterschied zum Neo-Expressionismus in Europa begrenzte Tucker ihre Zuordnung nicht auf großformatige Bilder mit symbolischen, historischen oder politischen Botschaften. Stattdessen ging es ihr vorrangig um eine Unbeschwertheit in der Kunst.

Ein herausragender Künstler des amerikanischen Neo-Expressionismus war Jean-Michel Basquiat.

Seine auffällige Persönlichkeit spiegelte sich in seinen Kunstwerken wider und brachte ihm schnell einen Kultstatus in der New Yorker Kunstszene der 1980er-Jahre ein.

Als Basquiat sieben Jahre alt war, schenkte ihm seine Mutter ein Nachschlagewerk zur Anatomie des Menschen. Dieses Buch sollte später zur Vorlage für seine abstrahierten Figuren werden.

Der Künstler nutze seine Bilder, um Kritik am Rassismus, am Kolonialismus und am Klassenkampf zu üben. Seine Pinselführung war, wie für den Neo-Expressionismus typisch, schnell, einfach und unvollendet.

Obwohl der Künstler nur 27 Jahre alt wurde, beeinflusste er den Neo-Expressionismus in den USA nachhaltig. Auch auf die internationale Kunstwelt ist sein Einfluss unverkennbar.

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Hier schreiben die beiden Künstler und Maler RZA & Feryal (Christian Gülcan & Ferya Gülcan). Beide Baujahr 1974, mit teilweise unterschiedlichen Einstieg (Grafitti, Zeichnen & Design) in die Acrylmalerei. Wir sind Markeninhaber der Kunstschmiede kooZal und malen hauptsächlich moderne und abstrakte Acrylbilder im Großformat, malen aber auch mit Ölfarben, lieben Druck- & Schablonentechniken und zeichnen viel. Unser eigenes Studio bzw. Atelier befindet sich in Bremen.

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